Wenn ich mit meinen Pfoten ein Testament schreiben könnte… für die Zeit danach…

so wie Menschen es tun, um das zu hinterlassen, was sie nicht mitnehmen können…

Ich würde mir wünschen, dass ich all das, was ich zurücklasse,

einem armen einsamen Streuner geben könnte, einem der Vielen, die überall auf der Welt

auf ein Zuhause warten und die niemals erlebt haben, wie es ist, geliebt zu werden,

es warm zu haben und immer genügend zu essen…

Ich würde mir wünschen, ihm meinen Napf zu geben und mein weiches Körbchen.

All mein Spielzeug und die Geborgenheit, die ich erlebte.

Die sanften Hände und das Lächeln, das meine Menschen mir stets schenkten.

All die Liebe, die ich bekam und die Spaziergänge, die ich so liebte.

Ich würde diesem armen Hund einen Platz im Herzen meines Menschen schenken,

denn ich weiß, dass dort ganz viel Platz ist…

Das alles würde ich einer armen Seele hinterlassen, weil ich weiß,

dass die Leere, die ich hinterlasse… nur ein Tier ausfüllen kann…

Ich habe deinen Wunsch erfüllt, es hat gar nicht lange gedauert. Obwohl ich erst glaubte, dass mein Herz nie wieder frei sein würde… für jemand anderen. Weil es so verdammt weh tat. Es war ein Ziehen, als würde etwas zerreißen in meiner Brust, herausgerissen werden und dann wieder zusammengeschnürt, so dass es mir den Atem nahm… Und irgendwann versiegten die Tränen, veränderte sich der Schmerz – fast unmerklich – kam ein Sehnen hinzu. Mein Körper wollte wieder ganz sein. Ich sehnte mich nach dieser Liebe, nach all dem in mir, was nur ein Hund wieder ausfüllen kann. Fast magisch zog es mich zu den Bildern der Armen, der Verlassenen. Ich suchte und wusste nicht, nach wem, wusste nicht, dass bereits jemand wartete, denn ich suchte irgendwie nach DIR… Stunde um Stunde, tagelang, sah ich in unendlich viele Augen, Herzen, Seelen, die mich anzuflehen schienen… und die doch so fremd wirkten. Ich las Geschichten und Schicksale, die mich zutiefst berührten, wartete auf eine Eingebung, auf DAS Gefühl… auf einen Hinweis von dir. Doch er kam nicht… und plötzlich wurde mir klar, warum. Weil schon jemand wartete. Dass es nicht schwierig ist, sondern ganz leicht. Wir müssen nicht suchen, wir werden geführt, dorthin… wo wir es vielleicht nicht erwartet hätten, als wir vielleicht noch gar nicht danach suchten… Ein Bild tauchte auf, vor meinem Inneren, das mir ein Freund sandte… gleich, nachdem du gegangen warst, doch da konnte noch nicht sehen… vor lauter Tränen. Und plötzlich bekam ich Angst, dass wir uns verpasst haben… Und so saß ich wieder vor diesem allerersten Bild… wo jemand auf mich wartete… im Tierheim… immer noch… weil Seelen sich finden, die zusammengehören…  und ich weiß, dass du sie mir geschickt hast!

© Sylvia Raßloff

Wir, die wir uns mit Leben umgeben, dessen Lebenszeit kürzer ist, als unsere, wissen, dass der Abschied kommt… Irgendwann. In hoffentlich weiter Ferne… Dieser Tag, an dem ich dich gehen lassen muss… wenn die Erde für einen Augenblick aufhört, sich zu drehen… Doch der Himmel ist gar nicht so weit weg. Wenn ich an dich denke, bist du da. Hier bei mir. Wenn ich dich riechen, hören, spüren kann. So wie früher. Mit dir sprechen… Weiß ich, dass der Tod nicht das Ende ist… Es ist nur der Körper, der geht. Und manchmal ist es auch ein Segen, denn wir können nicht ewig leben… Wenn er ausgedient hat, ist es doch nur die leere Hülle. Egal wann der Tag kommt… Es wird immer zu früh sein. Doch wahre Liebe ist größer, als das Leben selbst und ich weiß, nichts geht verloren, da draußen im Universum… Dort, wo die grünen Wiesen sind, wo es keine Schmerzen gibt, und wo wir uns irgendwann wiedersehen! Erinnerung ist kein Ort der Trauer, sie ist ein Ort des Trostes und die Verbindung zwischen dir und mir.

© Sylvia Raßloff

Ich weiß noch, wie es war, als wir keinen Hund mehr hatten. Damals, als unser altersschwacher Gefährte den Weg alles Irdischen gehen musste. Dorthin, zu den grünen Wiesen, hinter die Regenbogenbrücke, wohin wir ihn nicht begleiten konnten. Wir waren allein! Zum ersten Mal seit vielen Jahren. Verloren im Universum! Heulend saßen wir hier in dem nun so stillen Haus. Ausgestorben, leer, einsam. Das Schlimmste ist das Nachhausekommen! Überall bist du… und doch nicht mehr hier.

Das erste, was von meiner Mutter kam „Jetzt genießt erst mal das Leben! Gönnt euch was! Und holt euch nicht gleich wieder einen Hund!“ Sie meinte es gut, ganz klar, hatte sie doch die letzten Wochen und Monate gesehen, wie sehr uns seine Krankheit in Anspruch nahm. Keine Nacht, die wir mehr durchgeschlafen haben. „Fahrt mal in Urlaub! Das tut euch gut!“ Urlaub… Hä? Jetzt? Ich weiß nicht, wie lange ich nicht vor die Tür ging, weil ich dauernd heulen musste. Verschwollen, appetitlos, müde, traurig schleppte ich mich durch die Tage. „Gehen wir doch mal Spazieren! Die Sonne scheint so schön!“ Was? Ich? Spazieren? Die Sonne scheint? Wieso scheint eigentlich die Sonne? Wie kann sie lachen? Alles grünt und sprießt draußen… Es ist Frühling! Ich verkrieche mich, möchte, dass es regnet, dunkel und grau ist… So, wie ich mich fühle! Ich will nicht spazieren gehen! OHNE Hund! Bei jedem Schritt würde ich ihn sehen, bei jedem Hund, dem wir begegnen, wieder in Tränen ausbrechen. Niemals! „O.K. Dann in die Stadt! Shoppen. Irgendwas Schönes! Dann einen Kaffee trinken. Draußen sitzen. Leute beobachten! Das hast du doch immer gesagt, gefällt dir!“

Shoppen? Nein, ich brauche nichts. Will nichts! Will keine lachenden Leute sehen. Keine Hunde! Laufe rum, wie in Trance! Der Kaffee schmeckt fad! Alles ist fad. Wie durch Nebel schaue ich die Leute an… Ich höre, dass sie reden, verstehe kein Wort. Da ist nur er, immer wieder vor meinen Augen. Wäre er jetzt hier! Wir würden durch den Wald streifen, nur wir zwei, anstatt hier zu sitzen und Leute um mich zu haben, die mir nichts bedeuten… Alles hat irgendwie seinen Sinn verloren. Urlaub, Leben genießen… Was heißt eigentlich Leben genießen? Alles, was ich mir vornahm, mal zu machen, wenn ich keinen Hund habe, weil mit Hund schwierig, interessiert mich plötzlich nicht mehr! Ich kann mich nicht mehr freuen… Meine Augen füllen sich schon wieder mit Tränen… Verloren in diesen Gedanken und meinem Schmerz fasse ich an das Amulett mit deinem Bild, das ich um den Hals trage, damit du immer bei mir bist. Es ist ganz warm und ich spüre ein Ziehen in meinem Herzen. Ein Drängen, eine Sehnsucht… Wo ist das nächste Tierheim? Denn eines weiß ich jetzt: Ohne Hund ist ALLES doof!

© Sylvia Raßloff

Irgendwann in unserem Leben mit Tieren kommt der Tag, an dem wir unausweichlich feststellen müssen, dass unser Tier ALT ist. Lange haben wir versucht, die kleinen Zeichen zu ignorieren, die grauen Härchen um die Nase haben schließlich auch schon ganz junge Hunde… Oder täuscht das Licht?

Doch dann ganz plötzlich, fast wie über Nacht, wachen wir auf aus unserem Traum, dass alles einfach immer so bleibt, wie es ist, sehen ganz deutlich den grauen Schleier, der sich über Fell und Augen gelegt hat. Oder wir werden herausgerissen aus dieser unbeschwerten gemeinsamen Zeit, wenn unser Liebling plötzlich beim Rennen mit den Hinterbeinen wegknickt, langsamer von seiner Decke aufsteht oder auf das Rascheln der Leckerlietüte in der Küche nicht reagiert. Vielleicht werden wir uns auch erst durch den Tierarzt, der uns besorgt beiseite nimmt, der Endlichkeit des Lebens bewusst…

Spätestens dann fangen wir an, unsere Tiere ganz anders anzusehen! Liebevoll streift unser Blick über ihren Körper, wir suchen nach Bestätigungen für ihr Wohlbefinden oder auch nach Anzeichen der Krankheit, die in ihnen tobt. Sorgenvoll beobachten wir jede kleine Veränderung, jede Appetitlosigkeit macht uns Angst. Und während er da so im Garten liegt, möchten wir jeden Sonnenstrahl einladen, die müden Glieder unseres Weggefährten zu erwärmen, das Licht bitten, mit seiner unendlichen Kraft jede Faser des geliebten Körpers zu durchströmen.

Wir wählen die Wege sorgsamer als früher, die Berge weichen kleinen Hügeln. Es sind langsamere Spaziergänge, auf denen wir unseren Gedanken nachhängen – anders als früher-, ruhen unsere Augen sanft auf seinem Körper, prägen sich jede Kleinigkeit, jede Stelle ein, um sie festzuhalten, für die Zeit danach. Jede Zelle unseres Körpers ist so eng mit dem anderen verbunden, verkörpern unser gemeinsames Leben, die vielen Erlebnisse und Erinnerungen… „Immer warst du dabei!“ … und es tut schon fast weh, auch nur daran zu denken, dass der, der da neben uns geht, irgendwann nur noch im Geiste bei uns sein wird.

Wir ertappen uns dabei, dass wir ängstlich nachschauen, wenn er morgens mal nicht erwartungsvoll neben uns steht. Beruhigt stehen wir dann neben seinem Bett und beobachten das entspannte Heben und Senken der Brust eines tief schlafenden Hundes, der in letzter Zeit öfters den Wecker verpasst. Wir geben in jedes Essen, das wir von nun an bereiten, so viel Liebe mit hinein, werden wählerisch, achtsam, möchten all die guten Sachen hineingeben, die den Zeitpunkt in unendliche Ferne rücken könnten…

Immer öfters kommt es vor, dass unser geliebtes Tier mit abwesendem Blick irgendwo in einer anderen Welt zu sein scheint, als ob es schon mal dort drüben auf den grünen Wiesen schnuppert… „Komm, erzähl mir von dort, wo wir uns irgendwann wieder sehen!“ möchten wir sagen. Es braucht keine Worte mehr, wir verständigen uns über lange Blicke, in denen wir tief in den Augen des anderen versinken. Ohne zu zwinkern tauchen wir ein in einen Dialog, der so oft die unausgesprochene Frage enthält: „Was mach ich, wenn du nicht mehr hier bist?“ Und es kommt die Antwort: „Aber ich bin noch hier.“ „Aber du musst irgendwann sterben?!“ Und zurück kommt: „Wir alle müssen irgendwann sterben!“ … So gelassen, dass wir gleichzeitig lachen und heulen könnten.

Wir haben das Gefühl, dass es noch so viel zu sagen gibt und plötzlich kommt die Angst, dass die Zeit nicht reichen wird. Denn der Tod sitzt auf unserer linken Schulter und die Uhr tickt unaufhaltsam weiter, für uns, die wir mit Tieren zusammen leben und diese in der Regel auch überleben werden. Aber auch unsere eigene Uhr tickt unaufhaltsam! Wenn jemand diese unsere Uhr an die Wand hängen würde, genau da hin, wo wir sie immer sehen können, und sie würde von einem statistisch zu erwartenden Lebensalter an rückwärts ticken, dann würden wir jede Sekunde unseres Lebens plötzlich als so wertvoll erachten, wie sie ist. Wir würden nicht so viel Zeit einfach vergeuden, sondern versuchen, jeden Augenblick das Beste draus zu machen… wie unsere Tiere!

Die Zeit mit unseren alten Tieren ist etwas ganz Besonderes! Es ist eine Zeit der Erkenntnisse, die wir durch ihre unendliche Weisheit über uns und über das Leben erfahren! Wir sollten jeden gemeinsamen Tag, jede Stunde genießen, denn heute ist nicht der Tag, also sind wir einfach dankbar und glücklich über jeden weiteren!

© Sylvia Raßloff

 

Fast täglich spreche ich mit Menschen, die ihre Tiere verloren haben, spüre ihren Schmerz, ihre Trauer, ihre Hilflosigkeit… Viel zu oft ist es der Fall, dass die Tiere plötzlich, ohne Vorwarnung gehen, zu jung, um zu sterben, eine schwere Krankheit, ein schlimmes Ereignis sie aus dem Leben reißt, ohne, dass wir uns vorbereiten konnten oder uns richtig von ihnen verabschiedet haben. Viel zu früh… sagen wir fassungslos, aber… ist es eigentlich nicht immer zu früh? Wir alle wollen, dass unsere Tiere ewig leben, verdrängen den Gedanken an den Zeitpunkt des Abschieds, bis der Tod urplötzlich vor der Tür steht. Der Schock sitzt hier besonders tief und es dauert sehr lange, bis wir damit zurechtkommen… wünschen uns so sehr, die Zeit zurückdrehen und alles nochmal intensiver zu erleben. Wenn wir nur gewusst hätten, dass uns zusammen nicht so viel Zeit vergönnt sein wird… Wir alle wissen bereits, wenn wir ein Tier zu uns holen, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, wo wir sie gehen lassen müssen… früher … oder später. Wann dies ist, ob die Tiere jung sterben oder uralt werden dürfen, steht in den Sternen geschrieben und vielleicht ist es vorherbestimmt… doch eines ist sicher:  Wir sollten die Zeit mit ihnen genießen, solange sie bei uns sind, jede Stunde, jede Minute als so wertvoll erachten, wie sie ist!

© Sylvia Raßloff