Eine Flut von schrecklichen Bildern und Hilferufen aus allen Teilen der Welt landen täglich via Facebook in unseren Wohnzimmern, prallen auf unsere Augen, hinter denen sich Tränen mit Macht ihren Weg bahnen wollen… schnell wegklicken, teilen, immer in der Hoffnung, dass am Ende des „Teilens“ jemand ist, der hilft… Doch, auch wenn wir schon längst wieder zum Alltag übergegangen sind, wirken die Bilder in unserem Inneren weiter, jede Stunde, jeden Tag. Mit jedem Bild, jeder Meldung, beeinflussen sie uns, besetzen unsere Psyche, blockieren unsere Lebenskraft… und bewirken schlimmstenfalls – aber als dringend notwendigen Selbstschutz – eine Desensibilisierung.

Überall Leid, überall wird Hilfe gebraucht… Wir können nicht allen helfen! Wo sollen wir anfangen? Wo ist die Not am größten? Alle brauchen Unterstützung und weil unsere Möglichkeiten begrenzt sind, erstarren wir im Nichtstun, in einer Hoffnungslosigkeit… die uns krank macht! … Der einzige Ausweg aus dieser Starre ist, ETWAS zu tun, etwas Kleines nur, so, wie es in meinen persönlichen Möglichkeiten steht. Es ist wichtig, nicht das große Elend als unbezwingbaren Berg vor uns zu sehen, sondern uns das Projekt unseres Herzens zu suchen… „Mein persönliches Herzensprojekt“, das ich unterstütze… meinen Patenhund, meine Futterspende, meine Deckenspendenaktion für den Winter, meinen Gassi-Hund im Tierheim um die Ecke… Es gibt so viele Möglichkeiten!

Es geht nicht immer darum, ein Tier zu adoptieren und nicht jeder hat die Möglichkeit dazu… Es geht darum, die Situation der Tiere vor Ort zu verbessern, ein klein wenig zu helfen… Irgendetwas zu tun… für die, die es so dringend brauchen! Die Tierschützer sind so dankbar für jede noch so kleine Hilfe, aber auch die seelische und moralische Unterstützung ist so wichtig. Das alles ist besser als Nichtstun. Es hilft nicht nur den Tieren… Es trägt dazu bei, unsere Seelen wieder zu heilen,… weil wir endlich etwas tun können und unseren Beitrag leisten, etwas zu verändern, denn… wenn viele Menschen etwas Kleines tun, können wir Großes bewirken!

© Sylvia Raßloff

Vielleicht sollten wir viel öfter einfach das tun, was uns glücklich macht, und nicht das, was andere von uns erwarten. Vielleicht sollten wir wieder den Mut haben, so zu sein, wie wir sind und niemandem, uns selbst eingeschlossen, etwas vorzumachen… Vielleicht sollten wir uns wieder an unser Inneres Kind erinnern, wieder frech und wild und wunderbar sein… wieder staunen, lachen und uns richtig freuen können … wieder verzaubert sein, über einen winzigen Augenblick … die Wunder der Natur und die Schönheit aller fühlenden Wesen sehen. Vielleicht sollten wir nicht mehr so Vieles einfach hinnehmen und uns gegen Ungerechtigkeit auflehnen … Mehr Gefühle zulassen, um uns einfach wieder spüren zu können und uns berühren zu lassen … Vielleicht sollten wir öfter ein bisschen mehr geben, statt zu nehmen … öfter etwas netter sein, als unbedingt notwendig … Und vielleicht sollten wir uns vornehmen, einfach niemals aufzugeben, wenn es um unsere Ziele und Wünsche geht, denn solange wir noch Träume haben… spüren wir, dass wir leben!

© Sylvia Raßloff

Der Hundetraum… (und Traum aller Tiere, die irgendwo auf ein Zuhause warten…)

Es gibt einen besonderen Traum, den alle Tierheim-Hunde träumen… Auf Betonböden, in Hütten, in dunklen Verschlägen, eingepfercht in Gitterboxen… träumen sie Nacht für Nacht den gleichen Traum…

Egal, in welcher Sprache und wo auf dieser Welt… Es ist der schönste Traum, den diese Hunde haben… der Traum von einem Zuhause. Der Traum von einer Familie. Dieser Traum verbreitet sich seit Hundegedenken von Heim zu Heim, von Hund zu Hund, sogar draußen auf der Straße wird er weitergegeben…

Er wird den Neuankömmlingen erzählt, die in der Nacht noch weinen. Und mit jedem Hund, der ihn weitererzählt wird er schöner und bunter. Jeder träumt noch etwas hinzu. Alles ist warm und weich in diesem Traum. Und es gibt immer genug zu essen. Und die Menschen haben Hände – so zart…

„So etwas gibt es doch nicht!?“, sagen die, die noch nie ein Zuhause hatten… „Doch!“ sagen alle einstimmig und etwas zu laut… Die, die schon Schlimmes erlebt haben, schweigen. Sie wollen diesen Traum nicht zerstören…

Besonders für die Kleinsten, die mit großen Augen zuhören und die ihn wieder und wieder hören wollen, bevor sie einschlafen. Und für die, denen der Tod bevorsteht und für die anderen, die schon so viele Jahre warten und deren Augen müde geworden sind…

Gerade für sie ist es so wichtig, aber auch für alle anderen, dass dieser herrliche Traum niemals ausgeträumt ist, dass dieser kleine Hoffnungsschimmer für immer bleibt und jede Nacht wieder in ihren Herzen glimmt …

dass es irgendwo auf der Welt genau den Menschen gibt, der auf jeden von ihnen wartet.

© Sylvia Raßloff

Ja, sie sind alt, älter… vielleicht nicht mehr gesund… Abgeschoben! Ausgesetzt… als sie Liebe, Fürsorge und Geborgenheit am meisten brauchten… Weggeworfen. Doch sie haben überlebt!

Wenn man in ihre Augen sieht, spiegelt sich darin ein ganzes Leben… Vergangenheit. Enttäuschung. Trauer um einen geliebten Menschen? Und mehr als all das umgibt sie eine Aura von Weisheit und Gelassenheit… Das Wissen um den Lauf des Lebens… und seine Endlichkeit.

Doch wie alt ist ein Tier, um ZU alt zu sein für eine zweite Chance? Wie messen wir die Zeit, wenn wir ein älteres Tier zu uns holen? Oder haben wir Angst, dass die Liebe, die sie zu geben haben – die für uns bleibt – nicht mehr reichen wird? Auch wir werden älter… Was wäre, wenn die Tiere sich dann von uns abwenden würden, wenn wir „alt“ sind… nicht wert, Zeit mit uns zu verbringen? Wenn sie uns abschätzen würden, ob wir gebrechlich sind oder krank werden könnten… dem Trugschluss erliegen, dass Jugend ein Garant für Gesundheit ist… Nein, die Tiere wenden sich nicht von uns ab, sie lieben uns, ob wir jung sind oder alt, gesund, krank oder behindert. Sie schätzen nicht ab, ob es sich lohnt, ihre gesamte Zeit und Liebe in uns zu „investieren“. Sie tun es einfach! Nehmen uns, wie wir sind. Genießen jede Stunde, jeden Tag des Lebens, so lange es dauert, ohne darüber nachzudenken, ob sie dafür genug zurückbekommen… bedingungslos.

Ein älteres Tier zu adoptieren, ihm eine zweite Chance zu geben heißt, Leben retten! Ein Leben, das vielleicht nie mehr eine Chance gehabt hätte, wenn du nicht gewesen wärst! Sie haben so viel zu geben! Im Herzen noch jung, in den Knochen und in der Seele die Weisheit eines gelebten Lebens. Sie wollen vielleicht nicht mehr herumspringen, sondern wandern… keinen Stress und keine Hektik… das Leben einfach genießen und wortlos alte Geschichten erzählen. Sie schenken uns ihre Liebe, die Liebe eines ganzen Lebens für die Zeit, die ihnen noch bleibt. Sie lassen uns lachen über ihre vielen kleinen Eigenheiten und immer wieder staunen über ihre Tapferkeit. All das, was sie von den „Jungen“ unterscheidet ist auch das, was das Zusammensein mit ihnen so unvergleichlich wertvoll macht.

© Sylvia Raßloff

Irgendwann in unserem Leben mit Tieren kommt der Tag, an dem wir unausweichlich feststellen müssen, dass unser Tier ALT ist. Lange haben wir versucht, die kleinen Zeichen zu ignorieren, die grauen Härchen um die Nase haben schließlich auch schon ganz junge Hunde… Oder täuscht das Licht?

Doch dann ganz plötzlich, fast wie über Nacht, wachen wir auf aus unserem Traum, dass alles einfach immer so bleibt, wie es ist, sehen ganz deutlich den grauen Schleier, der sich über Fell und Augen gelegt hat. Oder wir werden herausgerissen aus dieser unbeschwerten gemeinsamen Zeit, wenn unser Liebling plötzlich beim Rennen mit den Hinterbeinen wegknickt, langsamer von seiner Decke aufsteht oder auf das Rascheln der Leckerlietüte in der Küche nicht reagiert. Vielleicht werden wir uns auch erst durch den Tierarzt, der uns besorgt beiseite nimmt, der Endlichkeit des Lebens bewusst…

Spätestens dann fangen wir an, unsere Tiere ganz anders anzusehen! Liebevoll streift unser Blick über ihren Körper, wir suchen nach Bestätigungen für ihr Wohlbefinden oder auch nach Anzeichen der Krankheit, die in ihnen tobt. Sorgenvoll beobachten wir jede kleine Veränderung, jede Appetitlosigkeit macht uns Angst. Und während er da so im Garten liegt, möchten wir jeden Sonnenstrahl einladen, die müden Glieder unseres Weggefährten zu erwärmen, das Licht bitten, mit seiner unendlichen Kraft jede Faser des geliebten Körpers zu durchströmen.

Wir wählen die Wege sorgsamer als früher, die Berge weichen kleinen Hügeln. Es sind langsamere Spaziergänge, auf denen wir unseren Gedanken nachhängen – anders als früher-, ruhen unsere Augen sanft auf seinem Körper, prägen sich jede Kleinigkeit, jede Stelle ein, um sie festzuhalten, für die Zeit danach. Jede Zelle unseres Körpers ist so eng mit dem anderen verbunden, verkörpern unser gemeinsames Leben, die vielen Erlebnisse und Erinnerungen… „Immer warst du dabei!“ … und es tut schon fast weh, auch nur daran zu denken, dass der, der da neben uns geht, irgendwann nur noch im Geiste bei uns sein wird.

Wir ertappen uns dabei, dass wir ängstlich nachschauen, wenn er morgens mal nicht erwartungsvoll neben uns steht. Beruhigt stehen wir dann neben seinem Bett und beobachten das entspannte Heben und Senken der Brust eines tief schlafenden Hundes, der in letzter Zeit öfters den Wecker verpasst. Wir geben in jedes Essen, das wir von nun an bereiten, so viel Liebe mit hinein, werden wählerisch, achtsam, möchten all die guten Sachen hineingeben, die den Zeitpunkt in unendliche Ferne rücken könnten…

Immer öfters kommt es vor, dass unser geliebtes Tier mit abwesendem Blick irgendwo in einer anderen Welt zu sein scheint, als ob es schon mal dort drüben auf den grünen Wiesen schnuppert… „Komm, erzähl mir von dort, wo wir uns irgendwann wieder sehen!“ möchten wir sagen. Es braucht keine Worte mehr, wir verständigen uns über lange Blicke, in denen wir tief in den Augen des anderen versinken. Ohne zu zwinkern tauchen wir ein in einen Dialog, der so oft die unausgesprochene Frage enthält: „Was mach ich, wenn du nicht mehr hier bist?“ Und es kommt die Antwort: „Aber ich bin noch hier.“ „Aber du musst irgendwann sterben?!“ Und zurück kommt: „Wir alle müssen irgendwann sterben!“ … So gelassen, dass wir gleichzeitig lachen und heulen könnten.

Wir haben das Gefühl, dass es noch so viel zu sagen gibt und plötzlich kommt die Angst, dass die Zeit nicht reichen wird. Denn der Tod sitzt auf unserer linken Schulter und die Uhr tickt unaufhaltsam weiter, für uns, die wir mit Tieren zusammen leben und diese in der Regel auch überleben werden. Aber auch unsere eigene Uhr tickt unaufhaltsam! Wenn jemand diese unsere Uhr an die Wand hängen würde, genau da hin, wo wir sie immer sehen können, und sie würde von einem statistisch zu erwartenden Lebensalter an rückwärts ticken, dann würden wir jede Sekunde unseres Lebens plötzlich als so wertvoll erachten, wie sie ist. Wir würden nicht so viel Zeit einfach vergeuden, sondern versuchen, jeden Augenblick das Beste draus zu machen… wie unsere Tiere!

Die Zeit mit unseren alten Tieren ist etwas ganz Besonderes! Es ist eine Zeit der Erkenntnisse, die wir durch ihre unendliche Weisheit über uns und über das Leben erfahren! Wir sollten jeden gemeinsamen Tag, jede Stunde genießen, denn heute ist nicht der Tag, also sind wir einfach dankbar und glücklich über jeden weiteren!

© Sylvia Raßloff